Wenn man einen Wildvogel auffindet, sollte man, bevor man ihn einsammelt, zuerst einmal genau beobachten, was es mit dem Tier auf sich hat. Kann es fliegen? Bewegt es sich gerichtet? Sind Verletzungen erkennbar? Ist es ein Jungvogel? Ruft das Tier seine Eltern oder bleibt es stumm? Werden die Augen geschlossen gehalten oder sind sie wach und offen? Hier einige Beispiele aus der Praxis:
Immer gilt die Devise: Erst schauen, dann handeln! Zu viele Vogelkinder werden unnötiger Weise "entführt" weil man sie für hilflos hält. Besonders die Ästlingsphase ist ein gefährlicher Lebensabschnitt für die Kleinen, aber die Eltern bewachen und beschützen ihre Brut.
Es halten sich auch hartnäckige Gerüchte, man dürfe junge Wildvögel nicht anfassen weil die Eltern sie dann nicht mehr annähmen. Dies entspricht keinesfalls den Tatsachen! Jedoch sollte man sich immer sicher sein dass das Tier wirklich Hilfe benötigt, um ihm unnötigen Stress zu ersparen. Außerdem gibt es leider noch immer die Praktik, einen am Boden aufgefundenen Vogel in die Luft zu werfen. Das kann für den Vogel tödliche Folgen haben! Insbesondere bei Schwalben und Mauerseglern hat es meist einen triftigen Grund wenn man sie am Boden auffindet, gesunde Tiere können problemlos vom Boden starten.
Ein weiterer häufig begangener und mitunter für den Vogel tödlicher Fehler ist das Füttern ungeeigneter Futter- oder Nahrungsmittel an Fundtiere. Gehen Sie einfach von dieser Grundregel aus: Alles, was Sie "sowieso daheim haben" und was leicht verfügbar ist, ist NICHT GEEIGNET! Darunter fallen Futtermittel für andere Tier- oder Vogelarten (Hunde- oder Katzenfutter, Eifutter, Fischfutter, getrocknete Insekten, etc..) sowie menschliche Nahrungsmittel (Fleisch, Eier, Milchprodukte wie Quark und Joghurt, Haferflocken, Tofu, etc...).
Der überwiegende Anteil der häufig aufgefundenen Wild- (Jung-) Vögel sind hoch empfindliche Insektenfresser und vertragen ausschließlich frische (!) Insekten. Und auch hier gilt leider wieder die Regel "leicht verfügbar ist nicht geeignet" (z.B. Würmer haben hohe Parasitenlast und schlechte Verdaulichkeit, Käfer sind zu hart, diverse Spinnen können giftig sein, Ameisen verspritzen Ameisensäure, Fliegenmaden können die Vögel von innen her auffressen und sind schlecht verdaulich, etc...). An wild gefangenen Insekten sind geeignet: Nicht stechende oder beißende ungiftige Fluginsekten (Fliegen, Motten, Mücken, Schwebfliegen, etc...), Grashüpfer, Raupen, Ameiseneier (Achtung, viele Ameisenarten sind geschützt). Ansonsten bekommt man in vielen Zoogeschäften Heimchen und Grillen zu kaufen, die mittlere Größe ist geeignet für die meisten Findlinge.
Bitte informieren Sie sich trotzdem VOR dem Verfüttern der ersten Mahlzeit genau darüber, welche Vogelart Sie beherbergen und suchen danach das passende Futter aus. Die Facebook-Gruppe "Wildvogelhilfe - Notfälle" wird nahezu rund um die Uhr von Profis betreut, welche eine schnelle Artbestimmung vornehmen können und Anleitung zur richtigen Unterbringung und Fütterung des Tieres geben.
Verletzungen bei Wildvögeln müssen kein Todesurteil sein! Auch gebrochene Beine und in einigen Fällen selbst Flügel können fachkundig geschient werden und problemlos heilen, ebenso wie großflächige Verletzungen. Wichtig ist immer, dass man sich an einen fachkundigen Spezialisten mit Wildvogelerfahrung wendet.