Die mobile Vogelpraxis
Die mobile Vogelpraxis

Wildvogelhilfe

frisch geschlüpftes Starenküken

Wenn man einen Wildvogel auffindet, sollte man, bevor man ihn einsammelt, zuerst einmal genau beobachten, was es mit dem Tier auf sich hat. Kann es fliegen? Bewegt es sich gerichtet? Sind Verletzungen erkennbar? Ist es ein Jungvogel? Ruft das Tier seine Eltern oder bleibt es stumm? Werden die Augen geschlossen gehalten oder sind sie wach und offen? Hier einige Beispiele aus der Praxis:

 

  • Ein Vogel ist gegen die Fensterscheibe geflogen und sitzt benommen am Boden. Erste Hilfe: Dunkler Karton mit Handtuch ausgelegt, keine Wärme zuführen sondern nur bei maximal Raumtemparatur stehen lassen. Fliegt der Vogel nach ca. 1 Stunde koordiniert weg (Test z.B. im Badezimmer bei vorgezogenen Vorhängen) hat er das Gröbste überstanden und kann freigelassen werden. Sollte sich nach dieser Zeit nichts getan haben, führt der nächste Weg schnellstmöglich zum wildvogelkundigen (!) Tierarzt. Dieser nimmt eine genaue Untersuchung des Vogels vor und wird ihn dementsprechend behandeln.
  • Ein Wildvogel wurde von der Katze gebracht. Diese Fälle sind immer Notfälle für den betreffenden Vogel. Die Katze beherbergt für Vögel tödliche Bakterien im Speichel (sog. Pasteurellen), welche selbst durch kleinste nicht blutende Hautkratzer in den Vogel eindringen und sich vermehren können. Im Fall einer Katzenattacke sollte der Vogel immer vom Tierarzt untersucht und antibiotisch versorgt werden. Außerdem sollte man auf typische Verletzungen achten, häufig reißt die Haut der Kniefalte ein (blutet nicht, zu erkennen an "verklebten" Federn) oder es gibt Katzer am Rücken. Häufig fehlen auch Schwanz- und/oder Schwungfedern ohne die der Vogel nicht fliegen kann. Er sollte in einer geeigneten spezialisierten Einrichtung gepflegt werden bis die Federn nachgewachsen sind.
  • Ein Jungvogel hüpft schreiend in der Wiese herum. Erstmal beobachten! Das ist ein Ästling, die Eltern befinden sich sicherlich in der Nähe. Wenn die Eltern zu regelmäßigen Fütterungen kommen (Beobachtungsdauer mindestens 2-3 Stunden!) ist alles in Ordnung. Sollte das Tier offensichtlich schwächer werden (geplustert, Augen geschlossen, keine Bettelrufe mehr) und keine Eltern auftauchen, kann man in der Facebook-Gruppe "Wildvogelhilfe - Notfälle" nach geeigneten Pflegestellen suchen. Wenn ein Ästling in einer offensichtlich lebensbedrohlichen Lage steckt (Straße) kann man ihn bedenkenlos in die Hand nehmen und in den nächstgelegenen Busch setzen. Die Eltern finden ihre Jungtiere und stören sich nicht am menschlichen Geruch!
  • Ein nur knapp befiederter Nestling liegt am Boden. Zuerst identifizieren (die Facebook-Gruppe "Wildvogelhilfe-Notfälle" hilft schnell, einfach ein Foto posten), dann das passende Nest finden. Solange das Jungtier schön warm halten. Wenn es sich gut bewegt, schön bettelt und munter wirkt kann man es zu den Geschwistern zurück setzen wenn das Nest intakt ist. Danach noch einige Zeit beobachten ob die Eltern kommen und füttern. Wurde das Nest zerstört, kann man versuchen ein Ersatznest anzubieten, manche Vogeleltern nehmen das an und füttern ihre Küken weiter. Bei Gebäudebrütern wie Sperlingen oder Mauerseglern ist eine Rückführung in das Nest meist nicht möglich. Diese Küken müssen von spezialisierten Einrichtungen großgezogen werden. Bitte versuchen Sie nicht "ihr Glück" auf eigene Faust" Diese "Versuche" gehen meistens schief.

 

Immer gilt die Devise: Erst schauen, dann handeln! Zu viele Vogelkinder werden unnötiger Weise "entführt" weil man sie für hilflos hält. Besonders die Ästlingsphase ist ein gefährlicher Lebensabschnitt für die Kleinen, aber die Eltern bewachen und beschützen ihre Brut.

 

Es halten sich auch hartnäckige Gerüchte, man dürfe junge Wildvögel nicht anfassen weil die Eltern sie dann nicht mehr annähmen. Dies entspricht keinesfalls den Tatsachen! Jedoch sollte man sich immer sicher sein dass das Tier wirklich Hilfe benötigt, um ihm unnötigen Stress zu ersparen. Außerdem gibt es leider noch immer die Praktik, einen am Boden aufgefundenen Vogel in die Luft zu werfen. Das kann für den Vogel tödliche Folgen haben! Insbesondere bei Schwalben und Mauerseglern hat es meist einen triftigen Grund wenn man sie am Boden auffindet, gesunde Tiere können problemlos vom Boden starten.

 

Ein weiterer häufig begangener und mitunter für den Vogel tödlicher Fehler ist das Füttern ungeeigneter Futter- oder Nahrungsmittel an Fundtiere. Gehen Sie einfach von dieser Grundregel aus: Alles, was Sie "sowieso daheim haben" und was leicht verfügbar ist, ist NICHT GEEIGNET! Darunter fallen Futtermittel für andere Tier- oder Vogelarten (Hunde- oder Katzenfutter, Eifutter, Fischfutter, getrocknete Insekten, etc..) sowie menschliche Nahrungsmittel (Fleisch, Eier, Milchprodukte wie Quark und Joghurt, Haferflocken, Tofu, etc...).

 

Der überwiegende Anteil der häufig aufgefundenen Wild- (Jung-) Vögel sind hoch empfindliche Insektenfresser und vertragen ausschließlich frische (!) Insekten. Und auch hier gilt leider wieder die Regel "leicht verfügbar ist nicht geeignet" (z.B. Würmer haben hohe Parasitenlast und schlechte Verdaulichkeit, Käfer sind zu hart, diverse Spinnen können giftig sein, Ameisen verspritzen Ameisensäure, Fliegenmaden können die Vögel von innen her auffressen und sind schlecht verdaulich, etc...). An wild gefangenen Insekten sind geeignet: Nicht stechende oder beißende ungiftige Fluginsekten (Fliegen, Motten, Mücken, Schwebfliegen, etc...), Grashüpfer, Raupen, Ameiseneier (Achtung, viele Ameisenarten sind geschützt). Ansonsten bekommt man in vielen Zoogeschäften Heimchen und Grillen zu kaufen, die mittlere Größe ist geeignet für die meisten Findlinge.

 

Bitte informieren Sie sich trotzdem VOR dem Verfüttern der ersten Mahlzeit genau darüber, welche Vogelart Sie beherbergen und suchen danach das passende Futter aus.  Die Facebook-Gruppe "Wildvogelhilfe - Notfälle" wird nahezu rund um die Uhr von Profis betreut, welche eine schnelle Artbestimmung vornehmen können und Anleitung zur richtigen Unterbringung und Fütterung des Tieres geben.

 

Verletzungen bei Wildvögeln müssen kein Todesurteil sein! Auch gebrochene Beine und in einigen Fällen selbst Flügel können fachkundig geschient werden und problemlos heilen, ebenso wie großflächige Verletzungen. Wichtig ist immer, dass man sich an einen fachkundigen Spezialisten mit Wildvogelerfahrung wendet.

Kontakt

Anja Roscam Abbing

praktische Tierärztin

Dahlienweg 9
82319 Starnberg

Tel.: 0177 - 79 75 345

 

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